Ein Gruppen Bild nach dem Worksohp von allen Clowns

Begegnung mit „Edith Piaf“

16.Januar 2020
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Ein Gespräch mit Coach und Clown Patrick van den Boom

Musik befreit die Seele und stimuliert Emotionen. Jeder von uns verbindet bestimmte Lieder mit Dingen, die passiert sind, oder mit Menschen, denen man begegnet ist. Auch in der Arbeit der ROTE NASEN Clowns ist das Musizieren ein wichtiger Bestandteil. Vor allem für die Arbeit mit demenzkranken älteren Menschen. Denn Musik weckt Erinnerungen.

Ein Gruppen Bild nach dem Worksohp von allen Clowns
(c) ROTE NASEN

Der Niederländer Patrick van den Boom ist ein erfahrener Clown und Coach. Im Rahmen des Red Noses International Fortbildungsprogramms bildete er im November letzten Jahres unsere Künstlerinnen und Künstler im Workshop „Interaktives Singen“ weiter. Alle ROTE NASEN Clowns sind gute Sängerinnen und Sänger bzw. können mindestens ein Instrument spielen. Doch als Krankenhausclown begegnen ihnen besondere Herausforderungen. Im Workshop lernten sie: Wie improvisiere ich musikalisch? Wie reagiere ich musikalisch auf all die unvorhersehbaren Dinge, die meinen Alltag als Klinikclown ausmachen?

Klinikclowns gibt es nur mit Musik

Laut Patrick van den Boom gibt es zwei Arten von Gesang in der Arbeit der Klinikclowns: „Das Singen bestehender Songs, egal ob neue Popmusik oder alte Schlager, ist ein Weg, die Kinder im Krankenhaus oder Pflegebedürftige im Seniorenheim zu erreichen. Die zweite Möglichkeit passiert dann über Improvisation. Das heißt, der Künstler denkt sich das Lied im jeweiligen Moment, ohne einen Plan zu haben, aus und singt frei. Alles passiert im Hier und Jetzt, während man einen Raum betritt und den Menschen begegnet. Der Text bezieht sich dann auf die Namen der Betroffenen oder auf Gegenstände im Raum. Man spielt also mit dem, was man sieht. Manchmal kann es den Menschen helfen, den Ort mehr zu mögen, an dem sie sich befinden. Oder man erfindet ein Lied über persönliche Gegenstände: über die Puppe eines kleinen Mädchens oder die Armbanduhr eines älteren Herrn. Das regt die Wahrnehmung an, denn häufig wissen die Kinder oder Senioren nicht, was sich alles in ihrer Umgebung befindet."

Singen im Hier und Jetzt

„Das wichtigste ist immer: Der Mensch, dem die Clowns begegnen, ist der Star und steht im Mittelpunkt. Zu Beginn legt man als Klinikclown vielleicht ein Fundament und je sicherer das Fundament ist, desto sicherer werden die Betroffenen mitzumachen. Dann können die Stars das Solo machen und der Clown singt den Background. Es geht darum, einen Raum für den Pflegebedürftigen oder das Kind zu schaffen. Erst dann wird das Singen interaktiv.“

Durch Musik Begegnungen schaffen

„Singen ist die einfachste Form der Begegnung. Es heilt, verbindet und ist gleichzeitig verspielt. Und wenn man Dinge im Raum einbezieht, dann ist der kranke Mensch automatisch ein Teil des Spiels und damit Teil der Geburt eines neuen Lieds. Was ich an dieser Art von Musikmachen besonders mag, ist die Zusammenarbeit von Clown und dem besuchten Mensch. Das fällt mir vor allem im Pflegeheim auf: Wenn ich ein altes Lied singe, kenne ich den Text vielleicht schlechter als der Bewohner, der sich an das Lied aus der Kindheit oder Jugend erinnern kann. Plötzlich ist der Mensch mit Demenz viel klüger als ich! Ich möchte nicht, dass der Patient daran erinnert wird, dass sein Gedächtnis nicht mehr so funktioniert wie früher. Der Clown wird dann zum Werkzeugkasten und ist nicht der Schauspieler oder der Sänger.“

„Der Spatz von Paris“ im Seniorenpflegeheim

„Ich habe schon viele nennenswerte Begegnungen bei meinen Clownvisiten erlebt. Vor allem ältere Menschen erinnern mich häufig daran, immer präsent zu sein und vollkommen im Moment zu leben. Nur dann kann ich ihnen seelisch begegnen, so dass sie fühlen können, dass ich für sie da bin. Ich glaube, sie haben ein bestimmtes Gespür, weil die Ohren und die Augen schlecht sind und das Gehirn sie langsam im Stich lässt. Also übernehmen andere Dinge diese Funktionen. Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr sie merken, ob ich da bin oder nicht. Manchmal spiegeln sie mich wider. Wenn ich nicht vollkommen bei der Sache bin, dann schlafen sie einfach weiter und beachten mich nicht.

Eine Begegnung bei einer Clownvisite in einer Pflegeeinrichtung blieb mir besonders in Erinnerung: Ich traf eine Dame, die Edith Piaf sehr ähnelte. Ich ging zu ihr hin, sprach sie als Edith Piaf an und wir fingen an, miteinander zu tanzen. Nach einer Weile begann sie, ein altes Seemannslied zu singen. Es war wirklich sehr schön. Doch plötzlich hörte sie auf zu singen. Sie bemerkte in dem Moment, dass ihre Stimme ein wenig brüchig war, wie es häufig bei älteren Menschen der Fall ist. Ich wandte mich zu ihr hin und sagte: ‚Das macht doch nichts! Sie singen wunderschön‘. Sie lächelte und wir tanzten weiter. Was für ein Glück, dass ich dieser Dame begegnen durfte!“

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