15 Jahre Clownvisiten im Kinderhospiz Sonnenhof
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„Da wo der Tod ganz nah ist, ist ganz intensives Leben.“
Seit 15 Jahren besuchen ROTE NASEN Clowns jeden Freitag das Kinderhospiz Sonnenhof. Wir haben zu diesem Anlass einmal mit den Mitarbeitenden dort über die Kinderhospizarbeit, die Clownvisiten und ihre Wirkung gesprochen.
Svenja Bergmeier ist Heilpädagogin und seit 2022 im Sonnenhof.
Stefan Krämer ist Diplom Pädagoge und seit 2017 der pädagogische Leiter im Kinderhospiz Sonnenhof
Was machen Pädagogen und Pädagoginnen in einem Kinderhospiz, was sind eure Aufgabenbereiche?
Stefan Krämer: Meine Aufgabe ist primär die Koordination der pädagogischen und psychosozialen Fachkräfte und auch der Ehrenamtlichen. Ich versuche dafür zu sorgen, dass meine Kolleginnen und Kollegen den Alltag mit den Gästen des Hospizes gut gestalten können.
Was die Kinderhospizarbeit ausmacht, ist Multiprofessionalität. Viele unserer Gäste sind pflegebedürftig aufgrund ihrer schweren Erkrankungen. Das sind oft Grundbedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Aber das Leben besteht ja aus viel mehr. Da braucht es verschiedene Sichtweisen, um zu erkennen, was für den Gast gerade wichtig ist. Es ist cool, dass man sich unter den Professionen austauschen kann und Ideen findet. Wir sind nicht Pädagogen im klassischen Sinne. Wir erziehen nicht oder bilden aus wie in der Schule. Wir ermöglichen Erfahrungen, die sonst nicht möglich wären. Das führt bei den Gästen zu ganz viel Umweltkenntnis, dass man sich selber erfährt und seine Persönlichkeit weiter entwickeln kann. Und das alles durch ganz viele bunt gestaltete Erlebnisse und Erfahrungen.
Im Kinderhospiz habt ihr viel mit den Themen Trauer, Tod und Abschied zu tun. Wie geht ihr damit persönlich um?
Svenja Bergmeier: Ich glaube, da geht jeder individuell anders mit um. Ich bin noch recht neu und finde gerade meine Wege, wie ich damit umgehe. Kürzlich habe ich einen Gast verabschiedet. Ich fand das eigentlich sehr schön, aber es hat mich auch sehr berührt. Zuhause am Abend habe ich dann gemerkt, wie aufgewühlt ich bin und mir überlegt: Was tut mir jetzt gut? Ich habe dann eine Kerze für den verstorbenen Gast angezündet, mich auf mich besonnen und etwas Schönes gemacht. Am nächsten Tag habe ich mit den Kollegen darüber gesprochen, wie sie der Abschied berührt hat. Zum Glück bin ich im Team gut aufgefangen worden. Es gibt hier viele Möglichkeiten, vor allem Supervision, wo man darüber sprechen kann, was einen belastet.
Stefan Krämer: Wir machen das eigentlich so ähnlich wie die Clowns. Es gibt das „Kinderhospizmitarbeitenden-Ich“, welches viele Werkzeuge auf professioneller Ebene angesammelt hat, um sich dem Thema Abschied zu widmen. Wir haben uns ja auch bewusst dafür entschieden, hier zu arbeiten, wo das Thema Tod präsent ist. Und wo man sich auch intensiver vielleicht mal mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt. Um hier zu arbeiten, braucht es eine große Offenheit gegenüber diesen Themen. Tod und Trauer und Abschied gehören zu unserem Leben dazu. Aber sie bestimmen es nicht. Meine Kollegin, unsere Kunsttherapeutin, hat einen schönen Satz dazu gesagt: „Da wo der Tod ganz nah ist, ist ganz intensives Leben.“ Diese intensiven Momente haben auch sehr viel Schönes und das zu sehen, ist auch ein Umgang mit dem Thema.
Svenja Bergmeier: Alle, die bei uns sind haben eine lebensverkürzende Erkrankung. Von finaler Pflege sprechen wir, wenn wir sie an ihrem Lebensende begleiten. Viele kommen immer wieder hierher und machen Urlaub (sog. Kurzzeitpflege) bei uns oder wir unterstützen Familien und Gäste, wenn sie in einer akuten Krise sind. Das heißt, wir sind nicht nur ein Ort zum Sterben und zum Begleiten in den Tod. Es ist noch viel mehr.
Unsere Clowns kommen jeden Freitag zu Euch. Wie helfen sie Euch und den Gästen im Alltag?
Svenja Bergmeier: Aus Kleinigkeiten etwas Wunderbares zaubern, das können die Clowns. Egal ob es bei der Pflege ist, beim Essen oder im Gang: Sie haben immer die Fähigkeit, sofort die Gäste zu berühren und den Geschwistern und Eltern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Und das ist eine unglaublich schöne Fähigkeit. So viel Sonnenschein, der da jeden Freitag kommt. Selbst bei Teenagern, die eigentlich total cool sind, sind die Reaktionen groß: Sie rollen zwar noch die Augen, aber schmunzeln, weil sie, das doch witzig finden. Die Clowns bringen einfach Auflockerung auch in schwierige Situationen. Alle schmunzeln und lachen plötzlich und haben einen schönen Moment, obwohl der Tag gerade vielleicht schwierig war. Sie legen den Fokus woanders hin. Das ist unheimlich schön und eine große Bereicherung.
Stefan Krämer: Für mich ist ganz klar: Wenn Freitag ist, dann weiß ich, da gibt es einfach ein Highlight. Es ist eine feste Größe. Ich sehe die positive Wirkung der Clownsvisiten nicht nur bei den Gästen, ich sehe es bei dem ganzen Stimmungssystem Sonnenhof. Wenn wir mal unterbesetzt und gestresst sind und die Clowns dann kommen, dann ist der Moment mit den Clowns für die Gäste absolut stressfrei. Davon zehren wir dann auch. Das bringt die manchmal unruhige Stimmung wieder ins Lot.
Habt ihr von den Clowns etwas gelernt? Wie integriert ihr denn Humor in euren Arbeitsalltag?
Svenja Bergmeier: Ich glaube, ich habe mir schon diese Haltung von den Clowns abgeschaut: Ich probiere vielmehr Dinge aus ohne Angst zu haben, dass es bei unseren Gästen nicht gut ankommt. Es sind häufig Kleinigkeiten, wie ein Tuch, das hergezaubert wird oder die eigene Stimmlage ändern und schauen, wie das bei den Gästen ankommt.
Stefan Krämer: Ich wollte mir immer die Ukulele abschauen, daran bin ich aber leider gescheitert. Ich nehme ganz viel Situatives mit. Ich schaue immer wieder: Was ist gerade da? Und dann baue ich es einfach ein. Vielleicht zerreiße ich gerade einen Stoff. Und dann gucke ich nach links und der Gast fängt an, zu lachen. Dann sage ich mir: Gut, dann reißen wir jetzt ganz viel. Also haben wir dann eine Stunde lang Stoff gerissen.
Welche ist eure liebste Erinnerung aus einer Begegnung mit einem Clown und einem Gast?
Stefan Krämer: An meine erste Sterbebegleitung von einem Jungen werde ich mich immer erinnern. Der Junge liebte es, die große Bühne zu haben und Witze zu machen. Er hat immer wieder die gleichen Witze erzählt. Und jeden Freitag haben die Clowns ihm die riesengroße Bühne gegeben. Da wurde applaudiert, sie haben ihn so motiviert, einfach er zu sein. Ganz nach dem Motto: Schaut mich an, hier bin ich und das ist mein Witz. Das war großartig.
Die Clowns ermöglichen den Menschen, so sein zu dürfen, wie sie sind. Weil sie die Stärken und Ressourcen finden, die die Gäste haben. Man braucht keine Voraussetzungen, damit die Clowns mit einem agieren können.
Svenja Bergmeier: Neulich war ich im Flur und hatte ein kleines Geschwisterkind von einem Gast auf meinem Schoß sitzen. Sie sprach nur ein bisschen Englisch und kein Deutsch. Die Clowns haben mit ihr agiert, ganz ohne Sprache. Das kleine Mädchen war so fasziniert und glücklich. Sie hatte vorher noch nie Zauberei gesehen und da waren die Augen ganz groß. Das war einer der vielen Momente, wo ich gespürt habe, warum ich hier so gerne arbeite.
Stefan Krämer: Eine andere schöne Begegnung konnte ich neulich beobachten: Wir hatten zwei Geschwisterkinder hier, die beide erkrankt sind. Wir standen gemeinsam vor unserem großen Aquarium im Gemeinschaftsraum und haben einen toten Fisch gesehen. Die Clowns kamen mit dazu und haben die Kinder inspiriert, Beerdigung zu feiern. Sie haben ein Lied komponiert und so den Kindern den Tod dieses Fisches nahgebracht, so dass sie den draußen noch begraben haben. Der durfte nicht über die große Weite des Ozeans über die Toilette seinen Weg finden. Sondern er musste beerdigt werden. Das ist so schön, so Dinge aufzunehmen, die gerade da sind. Obwohl ja Tod und Humor vielleicht auf den ersten Blick etwas Konträres sind. Aber das gehört einfach zusammen und das spiegelt sich in dieser Begegnung sehr gut wieder.
Vielen Dank an das Kinderhospiz Sonnenhof für die 15-jährige tolle Zusammenarbeit!