ROTE NASEN Österreich war bereits eine stark entwickelte Organisation. Wie kam es zum Kontakt nach Deutschland?
Monica Culen (Vorstandsvorsitzende und Gründerin): Wir haben damals schon versucht so professionell zu arbeiten, wie es ging und uns künstlerisch gut aufzustellen. Daher haben wir auch den Kontakt und Austausch zu anderen Clown Organisationen in Europa gesucht. So kam Paul Kustermann von Clik zu uns. Eines Tages kam er auf uns zu und hat uns von seiner Organisation in Berlin erzählt: Clik – Clowns im Krankenhaus. Er erzählte von deren langjährigen Bemühungen gute Arbeit zu leisten, dass aber finanziell und strukturell die Organisation eigentlich zu schwach sei, für den hohen Bedarf. Wir haben über ein Jahr ernsthafte Gespräche darüber geführt, wie diese Struktur aussehen könnte, wie wir die Organisation gemeinsam gestalten könnten. Wir hatten Verständnis dafür, dass sich der Verein auch eine eigene Identität aufgebaut hatte und es schmerzhaft sein kann, das aufzugeben. Deshalb haben wir gemeinsam eine Strategie entwickelt, bei der zwar der neue ROTE NASEN Deutschland Verein gegründet wurde, Clik als Verein aber in einer zweijährigen Übergangsphase Schritt für Schritt integriert werden sollte. ROTE NASEN Österreich hat sich dazu bereiterklärt die anfängliche Finanzierung zu tragen. Nach zwei Jahren, als dann alle Projekte übergeben werden sollten, konnte sich ein Teil von Clik nicht dazu überwinden, ihre Identität als Verein aufzugeben. Wir haben uns dann getrennt, in zwei unabhängige Organisationen. Wir haben uns darauf konzentriert unsere Clowns gut zu betreuen und uns strukturell weiterzuentwickeln.
Wie kam es dann zu diesem starken Wachstum?
Giora Seeliger (stellver. Vorstandsvorsitzender und Gründer): Ich denke, was vielleicht auch damals ein Beweggrund für die Künstlerinnen und Künstler war, sich ROTE NASEN anzuschließen: es hatte sich herumgesprochen, dass wir auch damals schon ein sehr fairer Partner für die Clowns waren. Wir versuchen eine bedeutsame Arbeit zu geben, die gerecht entlohnt wird, die viel Einsatz, Empathie und Enthusiasmus erfordert. Das alles kann man nicht mit Geld beziffern. Dennoch haben wir immer versucht einen fairen Lohn für die Clowns festzulegen.
Monica Culen: Wir haben auch von Anfang an Wert auf gute Rahmenbedingungen gelegt. Nicht nur Rückhalt, sondern auch Weiterentwicklung, durch tolle Lehrende, die wir verpflichten konnten. Immer weiter zu lernen ist für Künstlerinnen und Künstler natürlich ein großer Anreiz, so die eigene künstlerische Entwicklung voranzubringen.
Reinhard Horstkotte (künstlerischer Leiter): Das war einer der Punkte, die mich an ROTE NASEN so fasziniert hat. Das Gefühl, dass ich mich als Künstler wirklich weiterentwickeln kann. Ihr habt das mit den Clowns von Anfang an wirklich ernst genommen. Wir haben uns immer gesagt: Wir versuchen bestmögliche Arbeit zu leisten und uns da zu professionalisieren. Wir haben langsam immer mehr Programme gestartet: Wir sind ins Deutsche Herzzentrum gekommen, wir sind mit der Charité in Kontakt getreten und das war ein ganz entscheidender Schritt.
Monica Culen: Es war trotz allem die letzten 20 Jahre ein holpriger und schwieriger Weg, um bis hierher zu kommen. Ich war persönlich immer eine große Verfechterin von ROTE NASEN Deutschland, zum einen, weil ich das Team menschlich sehr mag, zum anderen, weil mich diese innere Kraft begeistert hat, der Wille einfach zu machen. Gleichzeitig hatten wir kein gut besetztes und professionell aufgezogenes Management. RED NOSES International musste immer wieder eingreifen und wir haben versucht den Aufbau des Fundraisings zu unterstützen. ROTE NASEN Deutschland musste mehrere Wechsel in der Managementebene erleben, die sehr schwer aufzufangen waren. Auch weil wir nicht das Geld hatten, um das Management so nachhaltig aufzubauen, wie es bei der Größe der Organisation eigentlich notwendig war. Jeder Wechsel war eine große Belastung für die ganze Organisation. Das war eine wirklich schwere Situation. Deshalb haben wir damals einen Business Angel, Claus Gieschen, gebeten uns zu helfen. Er hat alle Verträge durchgeschaut und das Controlling aufgesetzt. Nach drei Monaten war seine Zeit bei uns eigentlich um. Und dann haben wir jemanden für das Management gesucht und eine ganze Reihe an Menschen interviewt. Es war aber recht schnell klar, dass wir Claus für die Stelle wollen.
Giora Seeliger: Eine wichtige Stärke von Claus war die Schwachstellenanalyse. Die Schwachstellen zu finden und aus ROTE NASEN Deutschland eine autarke Organisation zu machen. Herauszufinden, was braucht es dafür? Und das nicht nur im Sinne der personellen Aufstellung, sondern auch im Hinblick auf das Fundraising.
Monica Culen: Und wir haben in vielen Vorstandssitzungen wirklich oft über ROTE NASEN Deutschland diskutiert. Und ich habe immer gesagt: „Wir haben schon so viel Zeit und Mühe investiert und das Team in Deutschland hat so viel Potenzial! Das dürfen wir nicht aufgeben!“
Giora: Mit der Zeit hat sie eben genau dieses Potenzial bewiesen und die Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt. Das künstlerische Können der Clowns musste in die Krankenhäuser gebracht werden und dann gehört ja noch mehr dazu, wie der Kontakt mit den Einrichtungen und mit dem Personal vor Ort.
Welche war für euch die größte Hürde der vergangenen 20 Jahre?
Monica Culen: Für mich war das Schwierigste in diesem Umfeld, was uns nicht immer gut gesonnen war, ein Fundraising aufzubauen, was die Kraft und die Größe hat langfristig zu funktionieren und ohne das Budget ein gut arbeitendes Büroteam aufzustellen. Dank der ausgewählten Fundraising-Maßnahmen konnten wir dann viele Einrichtungen bespielen. Es war ein großer Aufwand, diese Größe zu erreichen, die wir jetzt haben, mit über 70 Einrichtungen und über 70 Clowns, die regelmäßig spielen und Menschen Lachen und Freude schenken.
Giora Seeliger: Es war auch aus künstlerischer Sicht schwer immer wieder mit neuen Situationen umzugehen. Auch die nicht künstlerischen Aspekte in Einklang mit dem professionellen und schauspielerischen Anspruch zu bringen. Denn wachsen allein reicht nicht, die Strukturen müssen passen.
Reinhard Horstkotte: Meine persönlich größte Herausforderung fing an, als Einrichtungen bundesweit dazu kamen und ich dort neue Teams aufbauen sollte und wollte. Das spannende dabei war, dass ich viele Künstler:innen damit gewinnen konnte, über meine eigenen Beweggründe zu sprechen. Wieso ich angefangen habe für ROTE NASEN Deutschland zu arbeiten und welcher künstlerische Anspruch und welche Leidenschaft dahintersteckt.
Giora Seeliger: Ich glaube auch, dass unsere Spenderinnen und Spender verstanden haben, mit welcher Ernsthaftigkeit wir Freude verbreiten. Und dass diese treuen Spendenden auch mit uns gehen, wenn wir neues Terrain betreten, wie beispielsweise in der Arbeit mit Geflüchteten.
Was war für euch der größte Erfolg?
Monica Culen: Dass das Clownteam auch in schweren Zeiten zur Organisation gehalten hat. Ich erinnere mich noch, dass das in schweren Zeiten das Honorar gekürzt werden musste und alle, auch das Büroteam sind mitgegangen.
Reinhard Horstkotte: Für mich persönlich auch: wie das Team immer hinter mir gestanden hat.
Giora Seeliger: Wir fangen an die Schwelle zu übertreten, wo wir wirklich gute Arbeit machen und bieten können. Und das ist fast eine Art Selbstverpflichtung. Wir haben ja keine Möglichkeit den Menschen auf medizinischer Ebene zu helfen, aber dort zu sein, wo wir gebraucht sind, dass ist die übergeordnete Mission. Wir arbeiten die Clowns in anderen Ländern? Andere Methoden, andere Lehrende, andere Impulse. Und das war ein enormer Wachstumsschub den ROTE NASEN Deutschland gemacht hat.
Es ist auch nie zu spät, um weiter zu Wachsen. Wenn man an die Spenderinnen und Spender denkt, dann ist jede einzelne Spende auch mehr als eine finanzielle Unterstützung. Vielleicht sind auch Menschen dabei, die das System kennen, die im Gesundheitswesen oder der Arbeit mit Geflüchteten tätig sind und mit ihrer Spende sagen: „Helft uns hier“.
Monica Culen: Ich bin unglaublich dankbar für die harte Arbeit, die vom Team geleistet wurde, trotz aller Widrigkeiten, zu einer der wichtigsten deutschen Non-Profit-Organisation zu werden. Ich schaue mit Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft, dass wir weiterwachsen und weiter Fuß fassen werden.