"Ein Neustart ist möglich"
Interview: Zehn Jahre ROTE NASEN Therapievisiten
Björn Tharun ist Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychosomatik in der Fontane-Klinik. In die psychosomatische Fachklinik im Brandenburgischen Motzen kommen Kinder zu einer vier- bis sechswöchigen stationären Kinderrehabilitation. die unter anderem an einer emotionalen Störung, ADHS oder auch einer Bindungsstörung leiden.
In der sogenannten Eltern-Kind-Interaktion werden schwierige Beziehungen innerhalb der Familie behandelt. Hier helfen die ROTE NASEN Clowns mit spielerischen Gruppenvisiten, an denen bis zu drei Kinder und das dazugehörige Elternteil teilnehmen. Björn Tharun kennt die Clowns gut, die seit zehn Jahren regelmäßig die Kinder und ihre Eltern in der Klinik einmal wöchentlich besuchen und mit ihren Visiten die therapeutische Arbeit unterstützen.
In der Fontane-Klinik sind ROTE NASEN Clowns wichtiger Bestandteil der Eltern-Kind-Interaktion. Ihre Eindrücke zur Entwicklung der Kinder werden von den Therapeut:innen hier wertgeschätzt. Wie haben Sie die Clowns erlebt?
Ich kannte Clowns im Gesundheitsbereich vorher nur aus den Medien, wo es vorrangig um Besuche bei schwerkranken Kindern zum Beispiel auf der Kinderonkologie ging. Mir waren also Clownvisiten in einer psychosomatischen Klinik ganz neu. Es war sehr aufschlussreich und spannend, die Clowns in Aktion zu sehen. Ich habe erlebt, wie eine richtige Interaktion zwischen den Clowns und Elternteil, zwischen Clowns und Kind, aber fast noch wichtiger zwischen Kind und Elternteil (wieder-) entstanden ist.
Die Papierblumen haben die Kinder in der Fontane-Klinik für die Clowns gebastlet.
Wie profitieren die Eltern und das Kind in dieser Situation von den Clowns?
In der Fontane-Klinik gibt es teilweise innerhalb der Familien, die zu uns kommen, eine lange Vorgeschichte von negativen Erfahrungen. Im Familienalltag wird gemeckert, geschimpft, sich gegenseitig Schuld zugewiesen, beleidigt und in schlimmsten Fällen auch geschlagen. Das heißt, man erlebt keine positiven Erfahrungen mehr miteinander, sondern nimmt nur noch Negatives wahr. Bei den Visiten der Clowns soll das verändert werden: Die Clowns betreten den Gruppenraum und finden auf eine vermeintlich naive Art und Weise einen Weg, etwas Positives ins Spiel zu bringen und die Kinder und Eltern wieder miteinander zum Lachen zu bringen. So fördern die Clowns die gegenseitige Wertschätzung, denn sie es schaffen es, dass Eltern und Kinder wieder einen positiven Blick füreinander gewinnen: Den anderen als liebevollen Menschen wahrzunehmen, als liebevolles Kind, als liebevolles Elternteil. Das ist ein Teil, der verloren gegangen war.
Das heißt, dass die Clowns Teil des therapeutischen Angebots sind?
Die Clowns sind ein Zusatzelement im Rahmen der multimodalen Therapie, die wir hier anbieten. Wir haben neben dem Basisprogramm verschiedene Therapieelemente, die jedes Kind nach seinen individuellen Bedürfnissen zusätzlich bekommt. Den Kindern, deren Bindung zu den Eltern gestört ist, bieten wir Eltern-Kind-Interaktion an. Hier kommen die Clowns dazu. Bei der Eltern-Kind-Interaktion unterstützen wir die Beziehung zueinander. Es geht darum, Ressourcen zu reaktiveren und das Positive, das einmal da war, zurückzubringen. Innerhalb unseres Interaktionsangebots sind die Clowns ein ganz wichtiger Baustein zur Ergänzung unserer Therapie.
Inwiefern wirken die positiven Erfahrungen, die die Kinder und Eltern in der Clownvisite machen, nachhaltig?
Aus unserer Erfahrung heraus wirken die positiven Erfahrungen auf jeden Fall sehr nachhaltig. Am Anfang der Rehabilitationstherapie fragen wir die Eltern danach, was ihr Kind gut kann. Oft kommt dann: Nichts. Oder wir hören nur negative Dinge wie: er nervt, er stört, er macht Dinge kaputt, der hört nicht auf mich, der liebt mich nicht. Mit zunehmenden positiven Erfahrungen, die durch die Clowns und andere therapeutische Elemente unterstützt werden, wird der Blick auf die positiven Dinge gerichtet, die dann mit nach Hause getragen werden und einen Neustart ermöglichen.