Aus einer Grassroots-Bewegung zur bundesweiten Hilfsorganisation

 So wie unser Verein hat auch Reinhard Horstkotte „klein“ angefangen. Er war unter Anderem Straßenkünstler in Italien, arbeitete im Zirkus und Theater. Mittlerweile ist er seit 20 Jahren künstlerischer Leiter vom ROTE NASEN Deutschland e.V. und einerseits für die inhaltliche Gestaltung der Programme zuständig, andererseits betreut er die insgesamt 74 Künstlerinnen und Künstler und hat die 20-jährige Entwicklung zu der Organisation, so wie sie heute ist, miterlebt und auch maßgeblich geprägt. Wir haben ihn dazu befragt.

ROTE NASEN ist aus einer kleinen lokalen Grassroots-Bewegung zu einer bundesweiten professionellen Organisation gewachsen. Wie kam diese Entwicklung zustande?

„Die Entwicklung war sehr natürlich. Bevor es ROTE NASEN gab, waren wir ein kleiner lokaler Clownverein mit sechs Künstlerinnen und Künstler. Damals haben wir alles selbst gemacht, die Pressearbeit, das Fundraising, die Buchhaltung und Geschäftsführung. Auch wenn wir das so nicht genannt haben. Als dann in 2003 Monica Culen und Giora Seeliger von ROTE NASEN aus Österreich kamen und wir dann eine ROTE NASEN Partnerorganisation geworden sind, haben sie gewisse Strukturen und Ziele mitgebracht, die auch so für uns damals Sinn gemacht haben. Wir wollten unsere bestehenden Projekte behalten, Neue dazu gewinnen, uns vernetzen und mit deren Hilfe war es uns möglich.

Die natürliche Entwicklung war dann, dass wir jemanden gesucht haben, der das „Büro“ macht. Unsere erste Mitarbeitende im Büro war Nina Donder, die bis heute noch bei uns im Fundraising arbeitet. Damals hat sie dann beispielsweise den Spielplan für die Clowns noch eigenhändig erstellt, heute haben wir dafür eine Online-Plattform. Und Dankbriefe für unsere Spender:innen, die uns teilweise bis heute noch unterstützen, haben wir anfangs noch handschriftlich verfasst. Mit immer mehr Projekten, haben wir dann gemerkt, dass wir eine professionelle Fundraising-Abteilung brauchen, um die Projekte finanziell stemmen zu können. Dank neuer Fundraising-Expertise, konnten wir dann beispielsweise beim RTL Spendenmarathon in 2010 teilnehmen, was damals eine gute Anschubfinanzierung für uns war. Der Stamm der regelmäßigen Spender:innen wuchs dann auch allmählich.

Ein stetig wachsender Clownverein braucht auch immer wieder neue Künstlerinnen und Künstler. Wie findet man in Deutschland neue Clowns?

Damals hat Paul Kustermann, der Mitgründer von ROTE NASEN und Clown, das Clowlabor in Berlin gegründet, wo er zusammen mit Leopold Altenburg, der damals bereits ROTE NASEN Clown war Künstlerinnen und Künstler der darstellenden Künste zu Klinikclowns ausgebildet. Aus diesem „Pool“ wurden 2007 sechs neue Künstler:innen als Clowns bei uns engagiert: Luise Lähnemann, Konstanze Dutzi, Maria Gundolf, Stefan Palm, Jana Hampel und Stan Regelski. Mit den sechs und den bereits für uns tätigen Künstlerinnen und Künstler sind wir dann in die neue Ära gegangen mit vielen neuen Projekten, wie dem Deutschen Herzzentrum Berlin und der Charité Universitätsmedizin Berlin. Alle diese Künstlerinnen und Künstler sind immer noch dabei und tragen gemeinsam mit den vielen Neuen, die im Laufe der Zeit dazukamen, die Arbeit des Vereins.

Was ist das Besondere an der Arbeit, dass, die Künstlerinnen und Künstler aber auch Mitarbeitende im Büro motiviert, dabei zu bleiben?

Jeder, der bei so einer Clownvisite mitläuft, erlebt, dass diese Tätigkeit extrem nährend ist. Es ist sehr nah an der Welt, sehr nah an der Gesellschaft und vor allem sehr nah am Menschsein. Als Clown geht man zu jemandem hin, dem es schlecht und nachdem man bei ihm oder ihr war, geht es ihm oder ihr wieder besser. Der Clown begegnet dem Gegenüber auf Augenhöhe und geht mit ihm in Beziehung. Das ist etwas, was man als Künstlerin oder Künstler auf einer Bühne nicht in dieser Intensität und in diesem Maß so erleben kann. Ich denke, das ist das, was die Künstlerinnen und Künstler bei uns seelisch hält.

Zum Anderen bekommen sie Fortbildungen in verschiedensten Gebieten und sind in einem stetigen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen weltweit, die die gleiche Arbeit tun. Und das ist für eine Künstlerin oder einen Künstler immer sehr wertvoll. Ein wichtiger Grund, meiner Meinung nach, warum wir alle, Clowns und die Mitarbeitenden im Büro, gerne für ROTE NASEN arbeiten, ist weil wir etwas in die Welt setzen wollen, was unglaublich gebraucht wird – das Spielerische, die Menschlichkeit und das Lachen. Und das gibt uns Nahrung und hilft uns bei allen Unterschiedlichkeiten immer wieder gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

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