Mit Humor bekommt alles eine Farbe

13.Oktober 2022
  • Kinder

"Seitdem danke ich jeden Tag für mein Leben."

Die in Potsdam lebende russische Künstlerin Polina Borissova war als Clown Fenomena im August 2021 im Rahmen einer internationalen ROTE NASEN Mission vier Wochen in der umkämpften Ostukraine unterwegs. Wir fragten Sie nach ihren Erlebnissen.

(c) Red Noses International

Normalerweise begleitest du kranke Kinder vor Operationen und besuchst Menschen in Senioreneinrichtungen. Wie kam es zu deinem Auslandseinsatz?

Die Arbeit von ROTE NASEN in Krisengebieten waren 2017 ausschlaggebend für meine Bewerbung als Clown. Ich wollte Menschen in Extremsituationen helfen. Inzwischen war ich mit Notfallteams drei Mal in der Ukraine, außerdem im Flüchtlingscamp Moria in Griechenland, und ich habe an virtuellen Clownworkshops und –shows für Menschen in Bosnien und in der Ukraine mitgewirkt.

Welche Erfahrungen hast du in der Ukraine gemacht?

Unser Einsatz im vergangenen Sommer war härter als in den Jahren zuvor. Wir haben zum ersten Mal unmittelbar in Frontnähe zwischen den Streitkräften und den Separatisten gearbeitet. Der Tod war allgegenwärtig. Die Häuser waren zerschossen, überall lagen Trümmer, man sah Portraits von gefallenen Soldaten. Die Menschen waren traumatisiert, viele waren Binnengeflüchtete und hatten Schlimmes durchgemacht. Zum Glück werden wir auf diese Auslandseinsätze speziell vorbereitet und verarbeiten unsere Erlebnisse danach im Rahmen einer Supervision.

(c)Red Noses International

Wie funktioniert eure Arbeit unter diesen Bedingungen?

Die Stimmung war zum Teil sehr gedrückt. Die Leute sind erstmal vorsichtig und fragen sich, wer sind diese Clowns? In einer solchen Situation muss man behutsam agieren. Vertrauen entsteht nur langsam. Wir haben vor allem Kinder aus Waisenhäusern und aus schwierigen Verhältnissen zu unseren Clown-Workshops eingeladen. Diese Workshops dauern zwei bis vier Tage. Am Ende gibt es eine Vorführung, wo die Kinder zu Stars werden, sich gegenseitig feiern und stolz aufeinander sind.

Arbeitet Ihr auch mit Erwachsenen?

Ja, das ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit als Clowns in Krisengebieten. Die Freude der Kinder ist oft eine Erlaubnis für die Erwachsenen, einmal loszulassen und Spaß zu haben. Wir unterstützen die Erwachsenen mit unserer Arbeit dabei, wieder eine engere Verbindung mit ihren Kindern aufzubauen. Das ist auch etwas, was die Eltern nährt; da sie dafür oft gar keine Ressourcen mehr haben. Ein Event wie unsere Clownshow mit Musik, Akrobatik, Zaubertricks, die wir gemeinsam mit den Kindern aufführen, hilft auch ihnen, loszulassen.

Das Notfallteam kam aus Ländern mit unterschiedlichen Sprachen. War das organisatorisch und bei der künstlerischen Zusammenarbeit kein Problem?

Erstaunlicherweise klappte das sehr gut. Wir arbeiten mit NGOs, die dauerhaft in der Region im Einsatz sind. Wir nutzen die bereits bestehenden Strukturen, und die Teams vor Ort sagen uns, wo wir Clowns am dringendsten gebraucht werden. Auch die Kommunikation untereinander funktionierte. Der eigentliche Grund, warum wir uns fast blind verstehen, auch wenn wir uns nie zuvor begegnet sind, ist die künstlerische Ausbildung. ROTE NASEN Clowns durchlaufen alle das gleiche Curriculum der International School of Humour in Wien.

(c) Red Noses International

Welcher Moment hat Dich besonders berührt?

Es gibt viele berührende Momente, die ich nie vergessen werde. Als wir zum Beispiel im Waisenhaus waren, saß zwischen den anderen Kindern ein größerer Junge mit einer Waffe, die ziemlich echt aussah. Seine gesamte Körpersprache strahlte aus: „Kommt mir nicht zu nah. Ich bin ein ganz harter Kerl. Ich interessiere mich nicht für Euren Firlefanz.“ Ich habe ihn die ganze Zeit beobachtet. Er wollte zunächst nicht unsere Clown-Show anschauen und spielte stattdessen mit seiner Waffe herum. Irgendwann hat er sie dann hingelegt und schließlich völlig vergessen. Er hatte dann im Endeffekt richtig Spaß an der Show und dem Workshop. Ganz am Ende, als die anderen Kinder schon weg waren, zeichnete er auf einmal von Weitem mit seinen Händen ein riesengroßes Herz für uns in die Luft und strahlte bis über beide Ohren.

Gibt es ein Fazit, ein persönliches Resümee?

Ja. Der Aufenthalt in der Ukraine hat mich dazu gebracht, intensiver über das Leben nachzudenken. Ich war nach der Mission sehr emotional und voller Demut. Seitdem stehe ich jeden Tag auf und danke für mein Leben. Das sollten wir alle vielmehr tun. Denn nur dann ist man wirklich frei.

(c) Red Noses International
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