Auf dem Dach der Welt

08.September 2021
  • Senioren

"Auf einem Bein kann er fliegen!"

Es ist heiß, gestern hat es wild gewittert. Die zwei ROTE NASEN Künstler:innen Luise Westner und Stefan Palm treffen sich in einer nachdenklichen Stimmung. Der gestrige Sturm hat sie beide etwas aufgewühlt und die Woche ist schon lang. Sie denken darüber nach, wie sie zur Ruhe kommen können und freuen sich schon auf die Visite. Im Pflegeheim in Berlin verwandeln sie sich mit Kostüm und roter Nase in die Clowns Gogo und Stefanello. Die rote Nase verleiht immer eine neue Perspektive und Leichtigkeit.

(c) ROTE NASEN Deutschland e.V.

Der Flughund Schnuffi

Gogo und Stefanello haben heute Schnuffi dabei, einen Plüschhund als Handpuppe. Wie erwartet freuen sich die meisten Bewohner:innen des Pflegeheims in Berlin über ihn. Sie rätseln mit den Clowns, ob es sich bei Schnuffi um ein Männchen oder ein Weibchen handelt. Frau Kreise* meint sogar immer, er sei transgender. Die zwei Clowns freuen sich auf Frau Breuner* ganz besonders. Sie lacht immer so schön, wie ein Glockenspiel. Ihr Lachen erklingt schon, wenn Stefanello wie immer Probleme hat, durch die Tür ins Zimmer zu kommen. Auch Schnuffi betrachtet sie wohlwollend. Auf ihrem Nachttisch steht ein digitaler Rahmen. Plötzlich erscheint dort ein Hund und verschwindet wieder. Stefanello wundert sich, wo er denn hingeflogen sei. „Kannst du auch fliegen, Schnuffi?“, fragt er seinen Hundefreund. Und tatsächlich - Schnuffi hebt ab! Gogo staunt: „Ein Flughund. Ich dachte das können nur Fledermäuse und nicht Yorkshire Terrier wie Schnuffi!“

Frau Breuner hat eine Idee: „Es könnte an der Hitze liegen.“ Da hat die ältere Dame wohl recht. Die Hitze, warme Luft, und man hebt ab! Daraufhin fragt Gogo Stefanello, ob er auch fliegen könne. Er probiert es aus. Vorsichtig schlägt er mit den Armen wie mit zwei Flügeln und...schwebt... und fliegt. Frau Breuner staunt wohlwollend und lacht: „Auf einem Bein kann er fliegen!“ Nach dem Höhenflug sieht Stefanello Gogo ernst an: „Gogo kannst du das auch?“ Gogo konzentriert sich. Sie schließt die Augen und führt Zeigefinger und Daumen zusammen, so als ob sie meditieren würde „OMMMM“ ertönt aus Frau Breuners Bett. „OMMM“ machen sie dann alle gemeinsam. Und siehe da: Gogo spürt die Energie und hebt ab. Die Welt wird kleiner und kleiner. Sie sieht den Ozean und dann den wunderschönen blauen Planeten Erde. Und auch Frau Breuner wird immer kleiner.

(c) Gregor Zielke

Es geht hoch hinaus...

„Gogo“, ruft Stefanello „du bist so weit oben, man sieht dich gar nicht mehr!“ Gogo erschreckt sich, dass sie so weit oben ist und ruft Stefanello zu: „Du, ich bin schon lange genug im Weltraum. Du musst mich da jetzt herunterholen. Hol die Leiter!“ Stefanello holt eine imaginäre Leiter aus der Ecke des Zimmers und steigt hoch bis in den Himmel und darüber hinaus. Frau Breuner wird jetzt auch für Stefanello immer kleiner. So weit unten liegt sie jetzt, auf der Erde. Die ältere Dame hebt ihren Blick nach oben in die Richtung der Clowns. Den Hund haben sie lieber auf der Erde gelassen. Sobald Stefanello Gogo findet, reicht er ihr beide Hände, bis sie vorsichtig Stufe für Stufe synchron wieder auf die Erde hinabsteigen.

(c) Gregor Zielke

Das magische Bild

Gut wieder bei Frau Breuner angekommen wundern sich die Clowns: „Was war das denn?“ Stefanello räumt die Leiter in die Ecke und erblickt dort eine hölzerne Buddha-Figur. Erklärt das vielleicht den Höhenflug der Clowns? Na ja es ist ja aber auch so heiß heute... Frau Breuner lächelt weise, zeigt auf ein Bild auf der Wand und sagt: „Vielleicht hat das Bild dort auch etwas damit zu tun, dass ihr fliegen könnt?“ Es ist ein buntes vielschichtiges geometrisches Bild. Das ganze Universum scheint darauf abgebildet zu sein. Später stellt sich heraus, dass es ein hinduistisches Yantra ist, ein Bild, das zur Meditation verwendet wird und spirituelle Kräfte hat. „Frau Breuner, waren Sie etwa im Himalaya, auf dem Dach der Welt?“, fragt Stefanello neugierig. Ganz selbstverständlich antwortet die ältere Dame: „Nein, ich nicht, aber mein Sohn. Der hat es mir mitgebracht“. Und genau in diesem Moment erscheint auf dem digitalen Rahmen ein Kleinkind. Wie Frau Breuner erklärt, ist es ihre anderthalb Jahre alte Enkelin, die Tochter des Sohnes, der schon mal im Himalaya war. Das ist pure Magie! Tief bewegt, glücklich und beseelt verabschieden sich die Clowns von Frau Breuner. OMMMM.

*Name zum Schutz geändert

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